Wenn es das Trauern nicht gäbe, dann gäbe es kein Erinnern: dann gäbe es kein Gestern und kein Morgen, nur das Jetzt. Dann gäbe es keine Vorsorge, auch keine VorSICHT: Wir würden die Hand auf die heisse Herdplatte legen und sie verbrennen – denn wir wüssten nicht um die Gefahr. Und wenn heute allerorten der Ruf nach dem Vergessen erschallt – die Aufforderung nach dem Aufhören der Erinnerungsrufe über das, was zwischen 1914-1918 und vor Allem zwischen 1933-1945 in unserem Land geschah: Dann ist das nichts Anderes als die Aufforderung, zu vergessen dass unsere Hand verbrennt, wenn wir sie auf die heiße Herdplatte legen.
Aus diesem Grunde sind Erinnerungstage wie der Volkstrauertag wichtig: Wir trauern um die vielen Millionen Toten, die in grausamen und sinnlosen Kämpfen ihr Leben lassen mussten; wir trauern um unsere Väter, Großväter und Urgroßväter, die wir nie kennenlernen durften, da sie in Schlachten, die von vornherein die Niederlagen in sich trugen, zum Opfer wurden; und auch um Diejenigen, die sich freiwillig zum Opfer haben machen lassen. Und wir trauern insbesondere um die vielen Millionen Menschen, die unseren Vätern, Großvätern und Urgroßvätern zum Opfer wurden. Wir trauern auch darum, dass es so viele Täter gab – denn dort, wo es Opfer gibt, da gibt es naturgemäß auch Täter.
Wir trauern auch darum, dass es nach dem 2. Weltkrieg so viele weitere Kriege gab und jetzt noch gibt – die jedoch aufgrund der großen Entfernung nur schemenhaft in unser Bewusstsein drangen und dringen. Und wir trauern darum, dass es auch heute – in einer Zeit, in der wir hier in Deutschland vergleichsweise sorgenfrei und in Wohlstand leben – so viele Menschen gibt, die vor Krieg und Gewalt fliehen müssen: und denen unsere wohlständigen europäischen Länder nur widerstrebend oder gar kein sicheres Asyl geben wollen. Und das, obwohl es doch damals unser Volk war, vor dem Menschen in andere Länder fliehen mussten.
Es ist nicht zuletzt dieses Erinnern an das Grausame des 20. Jahrhunderts, das die hier nach 1945 Geborenen davor bewahrt hat, erneut zum Opfer – und zum Täter – solch brutalen
Massensterbens zu werden. Eine Pille des Vergessens wäre eine bittere und brandgefährliche Pille: Es ist dieses Wissen um die damaligen Geschehnisse, welches in dem Zusammenschluss der europäischen Länder zu einer Union ein Bollwerk der Friedenssicherung auf unserem Kontinent bewirkt hat. Aus diesem Grunde auch ist es so wichtig, diese Erinnerungskultur an die nachkommenden Generationen heranzutragen. Schulen und sogar Kindergärten können in viel stärkerem Maße als bisher ihrer Aufgabe gerecht werden, in das Bewusstsein unserer Kinder den Gedanken einzupflanzen: NIE WIEDER!
Silke Körner
ist Kreisrätin Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge und bei Bürgerliste Grün der Zeit aktiv